Beim Einkaufen findet man zahlreiche Produkte mit genderspezifischem Marketing – insbesondere bei Kosmetikprodukten wie Rasierern, Cremes oder Duschgels. Für die weibliche Zielgruppe sind die Produkte so gestaltet, dass sie für möglichst viele Frauen ansprechend wirken: Zum Beispiel durch eine rosa Verpackung oder Blumenduft. Die Frauenprodukte sind dabei meist identisch oder sehr ähnlich verglichen mit den entsprechenden Männerprodukten. Trotzdem sind die Produkte mit femininem Design oft teurer. Solche Aufpreise bei Frauenprodukten nennt man auch „Pink Tax“. Das Konzept der Pink Tax ist seit einigen Jahren Thema von Debatten um die Diskriminierung von Frauen. Unternehmen scheinen die erhöhte Bereitschaft von Frauen, mehr für ihr Aussehen zu bezahlen, auszunutzen. Die Verbraucherzentrale Hamburg beobachtete vor kurzem (Februar 2024) einen Rückgang der geschlechtsspezifischen Preisdifferenzierung innerhalb der letzten Jahre. Doch gibt es auch eine Veränderung auf Seiten der Verbraucherinnen?

Ziel unserer Studie ist es, das derzeitige Kaufverhalten der Konsumentinnen und deren aktuellen Kenntnisstand in Bezug auf die Pink Tax abzubilden. Am Beispiel von genderspezifisch beworbenen Rasierern einer gängigen Drogeriemarke haben wir 371 Frauen zwischen 18 und 69 Jahren befragt, die angeben Handrasierer zu nutzen.

„Frauenprodukt“ ist beliebter trotz gleicher Qualitätsbewertung

Zuerst sollten die Teilnehmerinnen eines der beiden Produkte betrachten und bewerten. Die eine Hälfte der Probandinnen beurteilten einen schwarz-blauen Rasierer, der laut Verpackung für Männer geeignet ist. Die anderen evaluierten einen rosa Rasierer für Frauen von der gleichen Marke. Produkteigenschaften wie die Anzahl der Klingen und Inhaltsstoffe waren beinahe identisch. Das feminine Produkt finden doppelt so viele Frauen ansprechend (72%) wie das Männerprodukt (36%). Die Qualität der beiden Produkte wird jedoch ungefähr gleich bewertet. 55% schätzen die Qualität des Frauenprodukts hoch ein, 50% die des Männerprodukts. Trotzdem haben fast doppelt so viele Frauen Interesse daran, das Frauenprodukt demnächst zu kaufen (47% versus 25%).

Konsumentinnen präferieren das „Frauenprodukt“ – trotz höherem Preis

Im nächsten Schritt wurden beide Produkte nebeneinander abgebildet. Die Teilnehmerinnen sollten sich für eines der Produkte entscheiden – zunächst ohne weitere Informationen zum Preis. Danach erfuhren die Teilnehmerinnen die Preise der Rasierer. Im Onlineshop eines bekannten Drogeriemarktes kostet das Männerprodukt 3,95€, das Frauenprodukt 5,95€. Es handelt sich hier also um ein typisches Beispiel für die Pink Tax. Nun sollten sich die Teilnehmerinnen in Anbetracht des Preises erneut entscheiden. Ohne Preisinformation entscheiden sich vier Mal so viele Frauen für das Frauenprodukt (80%) als für das Männerprodukt (20%). Diejenigen, die das Frauenprodukt wählen, begründen ihre Wahl oft damit, dass das Produkt speziell für die Rasur an Frauen konzipiert sei (66%). Einige schätzen auch das hübsche, feminine Design des rosa Rasierers (30%). Diejenigen, die das Männerprodukt wählen, erhoffen sich davon meist einen geringeren Preis (31%) oder bessere Qualität (28%). Sobald der Preisunterschied sichtbar wird, wählen 26% mehr Frauen als vorher das Männerprodukt. Jedoch bevorzugen insgesamt immer noch mehr als die Hälfte aller Probandinnen (54%) das teurere Frauenprodukt.

Klare Altersunterschiede in Bezug auf die Produkt-Präferenz

Jüngere Frauen wählen häufiger das Männerprodukt als ältere Frauen – sowohl ohne als auch mit Preisinformation. Lediglich die jüngste Gruppe der 18-29-Jährigen wählt bei bekanntem Preis häufiger das Männerprodukt als das Frauenprodukt (60%).  Ältere Frauen glauben häufiger als jüngere, dass das für Frauen beworbene Produkt besser auf ihre Bedürfnisse als Frau angepasst ist. 67% der 50-59-Jährigen geben dies als Grund an, dagegen nur 42% der 18-29-Jährigen. Jüngere Frauen entscheiden sich eher für ein Produkt wegen des Designs und machen sich eher Gedanken über den Preis als die ältere Generation. Alle Altersgruppen finden das Frauenprodukt ähnlich ansprechend (70-73%). Jedoch sinkt das Kaufinteresse bezüglich des Frauenprodukts von 53% (40-69-Jährige) mit sinkendem Alter (36% bei 18-29-Jährigen).

Aufklärung über die Pink Tax

Im folgenden Teil der Befragung wurden die Teilnehmerinnen über Gender-Pricing aufgeklärt. 36% geben an, dass ihnen die Pink Tax bereits vorher ein Begriff war. Ebenso viele Teilnehmerinnen geben an, dass sie das Konzept zwar nicht explizit unter dem Namen Pink Tax kennen, sie haben aber im Alltag bereits genderspezifische Preisunterschiede wahrgenommen. 28% kennen die Pink Tax nicht und haben auch keine Benachteiligung bemerkt. Außerdem empfinden mehr als zwei Drittel (73%) aller Teilnehmerinnen die Pink Tax nach der Erklärung als (sehr) unfair. Zuletzt wurden die Konsumentinnen zu ihrer Bereitschaft, für Männer vermarktete Produkte zu kaufen, befragt. 55% wollen in Zukunft auch Männerprodukte kaufen, 22% lehnen diese Idee ab. Weitere 22% kaufen bereits Männerprodukte.

Jüngere und gebildetere Frauen kennen und umgehen die Pink Tax eher

In Bezug auf das Wissen über die Pink Tax unterscheiden sich die Generationen deutlich voneinander: Die jüngeren Konsumentinnen (48% der 18-29-Jährigen) wissen eher über die Pink Tax Bescheid als die älteren (22% der 50-69-Jährigen). 18-29-Jährige halten die Pink Tax öfter für unfair (83%) als beispielsweise die 50-69-Jährigen (63%). Der ältesten Gruppe (50-69 Jahre) ist das Thema zudem beinahe doppelt so häufig (24%) gleichgültig wie der jüngsten Gruppe (18-29 Jahre, 12%). Der Kauf von Männerprodukten ist bei jüngeren Frauen populärer (25% der 18-29-Jährigen) als bei älteren Frauen (13% der 60-69-Jährigen). Ähnliche Diskrepanzen findet man für unterschiedliche Bildungsgruppen: Frauen mit höheren Bildungsabschlüssen wissen öfter über die Pink Tax Bescheid als Frauen mit niedrigerem Bildungsniveau (z.B. 21% bei mittlerer Reife versus 44% bei Hochschulabschluss). 81% der Frauen mit Abitur oder Hochschulabschluss nehmen Gender Pricing als unfair wahr, jedoch nur 46% der Frauen mit Hauptschulabschluss. 36% der Frauen mit Hauptschulabschluss und nur 12% der Frauen mit Hochschulabschluss finden das Thema unwichtig. Frauen mit Hochschulabschluss, sind am ehesten bereit Männerprodukte zu kaufen (58%). Von den Frauen mit Hauptschulabschluss sind es nur 41%.

Frauen, denen die Pink Tax bekannt ist, kaufen anders ein

Außerdem scheint es eine Rolle zu spielen, ob die Idee des Gender-Pricings bereits bekannt ist. Diejenigen, die bereits vorher von der Pink Tax wussten, wählen seltener das Frauenprodukt als diejenigen, denen das Konzept noch nicht bekannt war. Wenn der Preisvergleich sichtbar ist, entscheiden sich sogar zwei Drittel (66%) derjenigen, die über das Konzept Bescheid wissen, für das Männerprodukt. Ungefähr ein Drittel (31%) der Frauen, denen das Konzept bekannt war, kaufen bereits bewusst „Männerprodukte“. Frauen, die in dieser Studie zum ersten Mal von der Pink Tax gehört haben, wollen vergleichsweise öfter bei den vertrauten Frauenprodukten bleiben (31%).

Fazit

Der Großteil der Verbraucherinnen in unserer Studie zieht spezifisch für Frauen beworbene Produkte dem Pendant für Männer vor. Sogar dann, wenn der Preisaufschlag bei dem Frauenprodukt deutlich erkennbar ist.

Allerdings scheint es systematische Unterschiede zwischen Konsumentinnen zu geben. Insbesondere junge Frauen und Verbraucherinnen aus höheren Bildungsschichten kennen das Prinzip der Pink Tax. Diese Gruppen empfinden die Pink Tax eher als diskriminierend und greifen öfter zum Männerprodukt oder erklären sich zumindest bereit dazu. Kausalzusammenhänge zwischen Bildung, Alter und Wissen über die Pink Tax sind aus dieser Studie jedoch nicht abzuleiten.

Die EU-Richtlinien verbieten genderspezifisches Marketing nicht explizit – stattdessen wird auf Sensibilisierung der Konsumentinnen gesetzt. Verbraucherinnen können sich lediglich gegen die Benachteiligung wehren, indem sie das Prinzip durschauen und bewusst die günstigeren Männerprodukte kaufen. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes betont die Bedeutung von Aufklärung. Die Ergebnisse unserer Studie legen nahe, dass es wohl vor allem bei älteren Frauen und niedrigeren Bildungsgruppen Informationsbedarf über genderspezifische Preisdifferenzierung gibt. Außerdem zeigen diejenigen, die bereits von der Pink Tax wussten, ein anderes Präferenz- und Kaufverhalten. Wer das Konzept des Gender Pricings bereits reflektiert hat, scheint bewusster einzukaufen – das wäre zumindest die Hoffnung des Verbraucherschutzes.

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